Beschäftigung von Arbeitnehmern in Callcentern an Sonn- und Feiertagen unzulässig

19 September, 2013 by zimmer-media


VGH Hessen, Pressemitteilung vom 12.09.2013 zum Urteil 8 C 1776/12.N vom 12.09.2013


Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat mit einem am 12. September 2013 verkündeten Urteil einige Bestimmungen der Verordnung der hessischen Landesregierung über die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen (Bedarfsgewerbeverordnung) vom 12. Oktober 2011 für unwirksam erklärt.

Die aufgrund von Normenkontrollanträgen der Gewerkschaft ver.di und zweier südhessischer Dekanate der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ergangene Entscheidung betrifft vor allem die Beschäftigung von Personal in so genannten Callcentern, zum Beispiel im Versandhandel, beim Online-Banking oder im Reisegewerbe. Für diese Bereiche war in der Bedarfsgewerbeverordnung die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ganzjährig für jeweils bis zu acht Stunden zugelassen worden.

Die Ungültigkeit dieser Ausnahmebestimmung beruht nach der mündlichen Urteilsbegründung auf dem Fehlen einer ausreichenden Verordnungsermächtigung durch den zuständigen Bundesgesetzgeber im Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994. Zwar enthalte dieses seither mehrfach geänderte Gesetz eine gestaffelte Verordnungsermächtigung für Ausnahmeregelungen der Bundesregierung und der Landesregierungen. Jedoch müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts bei Eingriffen in Grundrechte der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Grundentscheidungen selbst treffen und dürfe diese nicht der Exekutive überlassen. Deshalb lasse die Verordnungsermächtigung im Arbeitszeitgesetz so tief greifende Ausnahmen vom Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe nicht zu. Dieses im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Hessen verankerte Gebot diene nicht nur dem Schutz des Grundrechts auf Religionsfreiheit, sondern auch der Gewährleistung anderer Grundrechte wie etwa der Koalitionsfreiheit, auf die sich die Gewerkschaften berufen könnten.

Als dem Gesetzgeber vorbehaltene Grundentscheidungen in diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof auch die Ausnahmen vom Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen für Brauereien und andere Betriebe der Getränkewirtschaft sowie für Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis angesehen. Für diese Gewerbezweige und entsprechende Großhandelsbetriebe hatte die Landesregierung in der Bedarfsgewerbeverordnung für die Sommerhalbjahre die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an diesen geschützten Tagen jeweils bis zu acht Stunden zugelassen.

Die ebenfalls für unwirksam erklärten Ausnahmeregelungen für Videotheken und Bibliotheken in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft (ganzjährig ab 13 Uhr für jeweils bis zu sechs Stunden) sowie für Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung (ohne Annahmestellen ganzjährig für bis zu acht Stunden) hat der Senat zwar wegen ihrer geringen Auswirkungen nicht als dem Gesetzgeber vorbehaltene Grundentscheidungen angesehen, so dass hier eine Regelung durch Rechtverordnung verfassungsrechtlich zulässig gewesen sei. Die Verordnungsermächtigung durch den Bundesgesetzgeber setze aber voraus, dass weitere Ausnahmen zum Schutzgebot für Sonn- und Feiertage "zur Vermeidung erheblicher Schäden" erforderlich sind. Dies sei weder bei Videotheken bzw. Büchereien noch bei Toto- und Lottogesellschaften der Fall, denn die mit der Einhaltung des Arbeitsverbots an Sonn- und Feiertagen verbundene Verlagerung der Arbeiten auf Werktage habe für die betroffenen Einrichtungen und ihre Kunden nur geringfügige Nachteile zur Folge.

Auch die Ausnahmeregelung für "im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen für bis zu sechs Stunden" hat der Senat für unwirksam erklärt, da nicht hinreichend bestimmt normiert sei, für welche Art von Veranstaltungen die Ausnahmeregelung greifen solle.

Die Revision gegen sein Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Über ein solches Rechtsmittel hätte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden.

Quelle: DATEV/VGH Hessen