Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt

09 August, 2013 by zimmer-media


BGH, Pressemitteilung vom 07.08.2013 zum Beschluss XII ZB 269/12 vom 07.08.2013

Der u. a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu beantworten, ob der Antragsgegner aus seinem Einkommen oder Vermögen Elternunterhalt schuldet.

Der u. a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu beantworten, ob der Antragsgegner aus seinem Einkommen oder Vermögen Elternunterhalt schuldet.

Die 1926 geborene Mutter des Antragsgegners lebt in einem Altenpflegeheim. Weil sie die Heimkosten nicht vollständig aus ihrer Rente und den Leistungen der Pflegeversicherung aufbringen kann, gewährt der Antragsteller ihr Leistungen der Sozialhilfe. Im vorliegenden Verfahren verlangt der Antragsteller Erstattung der in der Zeit von Juli 2008 bis Februar 2011 geleisteten Beträge. Die Beteiligten streiten allein darüber, ob der Antragsgegner aus seinem Einkommen oder aus seinem Vermögen leistungsfähig ist.

Der Antragsgegner erzielte im Jahr 2008 ein Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 27.497,92 Euro, woraus das Oberlandesgericht ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.121 Euro errechnet hat. Er ist Eigentümer einer aus drei Zimmern bestehenden Eigentumswohnung, deren Wohnvorteil das Oberlandesgericht mit 339,02 Euro ermittelt hat. Außerdem ist der Antragsgegner hälftiger Miteigentümer eines Hauses in Italien, dessen anteiliger Wert vom Antragsteller mit 60.000 Euro angegeben ist, und verfügt über zwei Lebensversicherungen mit Werten von 27.128,13 Euro und 5.559,03 Euro sowie über ein Sparguthaben von 6.412,39 Euro. Eine weitere Lebensversicherung hatte der Antragsgegner gekündigt und deren Wert zur Rückführung von Verbindlichkeiten verwendet, die auf dem Haus in Italien lasteten.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller rückständigen Unterhalt in Höhe von insgesamt 5.497,78 Euro zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die auf weiteren Unterhalt gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und - auf die Beschwerde des Antragsgegners - den Antrag vollständig abgewiesen.

Auf die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat der Bundesgerichtshof den angefochtenen Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Das Oberlandesgericht hat auf der Grundlage der Einkünfte und Nutzungsvorteile des Antragsgegners von insgesamt rund 1.460 Euro seine Leistungsfähigkeit verneint, weil der für den Elternunterhalt geltende, ihm zu belassende Selbstbehalt von 1.500 Euro nicht überschritten sei. Diese Ausführungen sind nicht rechtsfehlerfrei, weil schon das Nettoeinkommen nicht fehlerfrei ermittelt wurde. Außerdem betrug der Selbstbehalt im Rahmen des Elternunterhalts für die hier relevante Zeit lediglich 1.400 Euro und wurde erst später zum 1. Januar 2011 auf 1.500 Euro und zum 1. Januar 2013 auf 1.600 Euro erhöht. Allerdings hat das Oberlandesgericht die vom Antragsgegner mit monatlich 67,20 Euro angegebenen Fahrtkosten für Besuche bei seiner Mutter unberücksichtigt gelassen, obwohl der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass diese Kosten abzusetzen sind, weil die Besuche einer unterhaltsrechtlich anzuerkennenden sittlichen Verpflichtung entsprechen. Ob auf dieser Grundlage eine Unterhaltspflicht aus dem Einkommen unter Berücksichtigung des Wohnvorteils des Antragsgegners besteht, wird das Oberlandesgericht erneut prüfen müssen.

Von besonderer Bedeutung sind allerdings die weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs zum Einsatz des Vermögens im Rahmen des Elternunterhalts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das unterhaltspflichtige Kind grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen. Einschränkungen ergeben sich aber daraus, dass nach dem Gesetz auch die sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht. Dem dient auch die eigene Altersvorsorge, die der Unterhaltsschuldner neben der gesetzlichen Rentenversicherung mit weiteren 5 % von seinem Bruttoeinkommen betreiben darf. Entsprechend bleibt dann auch das so gebildete Altersvorsorgevermögen im Rahmen des Elternunterhalts unangreifbar (BGH FamRZ 2006, 1511). Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass der Wert einer angemessenen selbst genutzten Immobilie bei der Bemessung des Altersvermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt bleibt, weil ihm eine Verwertung nicht zumutbar ist. Übersteigt das sonstige vorhandene Vermögen ein über die Dauer des Berufslebens mit 5 % vom Bruttoeinkommen geschütztes Altersvorsorgevermögen nicht, kommt eine Unterhaltspflicht aus dem Vermögensstamm nicht in Betracht. Weil das Oberlandesgericht allerdings auch das Altersvorsorgevermögen nicht fehlerfrei berechnet hat, wird es dieses und die Bemessung eines zusätzlich zu belassenden Notgroschens erneut zu prüfen haben.

Quelle Datev/BGH